Dissertationsprojekte

Dissertationsprojekt von Julian Elschenbroich

Das Dissertationsprojekt untersucht , wie die paulinischen Passagen 1Kor 15,35-49; 2Kor 5,1-10; Phil 1,23f. sowie – am Rande – 1Thess 4,13-18 und die darin geäußerten Vorstellungen von mortalen sowie postmortalen Vorgängen sich mit Vorstellungen von Sterben, Tod und postmortaler Existenz im kaiserzeitlichen Platonismus des  1. Jh. n. Chr. (Philo von Alexandrien, Plutarch von Chaironeia) in Verbindung bringen lassen. Wurde in der Forschung immer wieder beobachtet, dass einzelne Termini insbesondere in 2Kor 5,1-10 denjenigen in sog. „mittelplatonischen“ Texten nahestehen,  so erfolgte in jüngerer Zeit keine systematische Auswertung dieser Erkenntnis. Insbesondere die Rolle des menschlichen „Nous“, „Logos“ oder „Pneuma“, ist hierbei – ähnlich wie bei der Anthropogenese –  von besonderem Interesse. Das Projekt will dabei auch Antwortperspektiven auf die in jüngster Zeit wieder stärker in den Fokus gekommenen Fragen nach der Ganzheitlichkeit des paulinischen Menschenbildes eröffnen; zeigt sich doch in Vorstellungen der Vorgänge im Moment des Todes und darüber hinaus auch eine spezifische, grundlegende Auffassung von der Konstitution des Menschen sowie dessen Beziehung zu Gott.

Betreuung: Prof. Dr. Rainer Hirsch-Luipold.

Webseite Julian Elschenbroich

Dissertationsprojekt von Bettina Kindschi

Mit dem Dissertationsprojekt sollen die wechselseitigen Beziehungen zwischen Paulus und der Jerusalemer Urgemeinde genau beleuchtet werden, um einen Einblick in die Geschehensabläufe, die Mitarbeiterkreise und die verschiedenen theologischen Profilierungen des frühen Christentums zu erhalten. Damit wird sowohl die Frage nach dem Fremdverständnis als auch nach dem Selbstverständnis des Apostels, gerade auch im Hinblick auf seine Rolle und Akzeptanz als Missionar, ein Gegenstand der Untersuchung sein. Methodisch werden die Exegese der relevanten Texte aus den paulinischen Briefen und Apostelgeschichte (u.a. zum Apostelkonvent, zum antiochenischen Zwischenfall und zur Kollekte) wie auch der sozialgeschichtliche Hintergrund eine Rolle spielen.

Betreuung: Prof. Dr. Matthias Konradt

Dissertationsprojekt von Stefano De Feo

Im Mittelpunkt dieses Projekts steht eine lexikalische und exegetische Analyse des Vorkommens des Lexems ἔσχατος zwischen dem 3. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. Diese Dissertation zielt darauf ab, die Verbreitung und Bedeutung des Lexems ἔσχατος innerhalb antiker religiösen und philosophischen Traditionen zu vermessen. Aus der vergleichenden Natur dieser Forschung ergeben sich mehrere Leitfragen. Erstens: Könnte die Verwendung von ἔσχατος auf Schnittstellen zwischen paganen, jüdischen und christlichen Traditionen hinweisen? Wenn ja, was könnte diese Schnittstellen erklären? Zweitens: Können wir unterschiedliche Verwendungsmuster dieses Begriffs identifizieren, die mit spezifischen Autoren oder Traditionen in Verbindung stehen? Die hier verwendete Methode kombiniert lexikalische, philologische und exegetische Ansätze und bietet eine einzigartige und kritische Perspektive zum Thema der Endzeiterwartungen in dem antiken Mittelmeerraum. Darüber hinaus leistet diese Analyse einen bedeutenden Beitrag zur Neubewertung der modernen Kategorie "Eschatologie". Die Analyse betont die Bedeutung der Verwendung des Lexems ἔσχατος in antiken Quellen unter Berücksichtigung seiner vielfältigen Bedeutungen und Werte.

Betreuung: Prof. Dr. Rainer Hirsch-Luipold

Dissertationsprojekt von David Staub

Etwa zu derselben Zeit wie die Evangelien entstanden sind, verfasst der griechische Philosoph Plutarch 46 Biographien, in denen er die Lebensgeschichten bedeutender Griechen und Römer erzählt. Ihn treibt nicht nur ein historisches Anliegen. Anhand der Lebensbilder denkt Plutarch über grundlegende philosophische Themen nach, zu denen auch die Frage nach dem Göttlichen und seinem Wirken in der Welt gehört. Werden Evangelientexte und die Biographien Plutarchs nebeneinander gelesen, stellt sich die Frage, inwiefern nicht nur die frühen Christen, sondern auch der pagane Philosoph das Wirken des Göttlichen in der Geschichte im Leben von grossen Persönlichkeiten zu erkennen glaubt und in seine Darstellungen einzeichnet.

Das Forschungsprojekt beginnt mit einer Beschreibung und Analyse der Forschungsgeschichte um die Frage nach der Gattung der Evangelien, wobei Grundtendenzen, Problemfelder und blinde Flecken der Diskussion aufgezeigt werden. Bei der Gattungsfrage geht es unter anderem um die Frage nach der Vergleichbarkeit der Evangelien mit anderen Texten ihrer Zeit, nach ihrem Selbstverständnis und nach dem Anspruch mit dem sie gelesen und verstanden werden sollen. Aus diesen Auseinandersetzungen wird ein synchroner, reziproker Textvergleich vorgeschlagen, der insbesondere auf religiöse Aspekte von Vergleichstexten achtet und diese ins Gespräch mit den Evangelientexten bringt.

In einem zweiten Teil des Forschungsprojekt wird ein solcher reziproker Textvergleich anhand Plutarch’s Leben Numas und dem Lukasevangelium durchgeführt. In beiden Texten wird sowohl ein historisches wie auch ein starkes religiöses Interesse signalisiert. Sie zeigen ähnliche Konzepte und schriftstellerische Strategien im Hinblick auf die literarische Darstellung des Wesen des Göttlichen und dessen Wirken im Leben der Hauptperson. Gleichzeitig zeigen sich auch spannende Unterschiede im Detail. Ähnlichkeiten wie Unterschiede geben Anlass zu weiterführenden theologischen Diskussionen.

Ziel des Projektes ist es, anhand der forschungsgeschichtlichen Auseinandersetzung und dem durchgeführten exemplarischen Beispiel eine neuen Methodik des interkulturellen Textvergleichs zu entwerfen, mit Hilfe derer religiöse Aspekte von paganen Texten neu erschlossen und ungewohnte Anstösse für die Evangelienexegese gewonnen werden können. Nicht zuletzt will das Forschungsprojekt auch im Hinblick auf die Gattungsdiskussion zu einem besseren Verständnis der Evangelien in ihrem literarischen Umfeld beitragen.

Das Dissertationsprojekt wird im Rahmen des SNF-Projektes "Resonances through History: Biographically Grounded Construals of Divine Involvement in History in the Early Roman Imperial Era", welches von Prof. Dr. Rainer Hirsch-Luipold geleitet wird, durchgeführt.

Dissertationsprojekt von Saskia Urech

2016 erschien Hartmut Rosas bahnbrechendes Werk «Resonanz: Eine Soziologie der Weltbeziehung (4. Aufl., Berlin: Suhrkamp, 2020)». Viele wissenschaftliche Disziplinen haben auch ausserhalb des deutschsprachigen Raums die Soziologie der Resonanz nach Rosa aufgegriffen und rezipiert. In der Bibelwissenschaft ist das Potenzial dieses Ansatzes jedoch noch nicht ausgeschöpft. Das Dissertationsprojekt konzentriert sich deshalb auf die paulinische Pneumatologie und geht der Frage nach: «Wie erhellt die soziologische Kategorie der Resonanz das Geistverständnis des Paulus in Römer 8?»

In Rosas Analyse beschreibt die Metapher «Resonanz» das Verhältnis des Menschen zur Welt; sie bezeichnet eine Art und Weise der Bezugnahme, in denen Subjekte ihre Beziehung zur Welt im Sinne eines wechselseitigen und unverfügbaren Erfahrungsgeschehens herstellen. In der Theologie des Paulus geht es um die Erfahrungen des Menschen mit der göttlichen Welt unter Berufung auf das Wirken des Geistes. Das Wirken des Geistes geschieht nach Paulus in den Glaubenden und durch die Glaubenden und hat eine Verwandlung ihres Lebens zur Folge. Dabei weist die Interaktion mit dem Geist zwei Bewegungsrichtungen auf: Der Geist bewegt das Leben der Glaubenden und die Glaubenden reagieren auf diese Bewegung. In diesem Austausch oszilliert die Rede vom Geist zwischen dem Geist als Macht- oder Einflussbereich (Röm 8,1-2, 9: «Ihr seid im Geist») und dem Geist als Person (Röm 8,26: «Der Geist tritt für uns ein»).

Sowohl Rosa wie auch Paulus haben ein «Interaktionsgeschehen» vor Augen, das mit einer konkreten Erfahrung einhergeht. Der Bezugspunkt dieser Erfahrung ist zwar unterschiedlich – bei Rosa ist er strikt im Diesseits verortet, bei Paulus reicht er darüber hinaus – aber beide vertreten die Auffassung, dass diese Interaktion die Menschen bewegt, sie verändert und unverfügbar ist. Auf dieser Grundlage werden die paulinischen Überlegungen zum Wirken des Geistes aus einer «resonanz-exegetischen» Perspektive betrachtet. Angestrebt ist also eine exegetisch-theologische Untersuchung der paulinischen Pneumatologie vor dem Hintergrund der soziologischen Kategorie der Resonanz nach Rosa. Es soll gezeigt werden, dass die Kategorie der Resonanz hilfreiche systematische, exegetische und sprachliche Anknüpfungspunkte an die Theologie des Paulus bietet. Ausserdem ist sie in der Lage, den Geist sowohl als Resonanzpartner wie auch als Resonanz wahrzunehmen, der in Interaktion mit den Glaubenden erfahrbar wird und ihr Leben verändert.

Betreuung: Prof. Dr. Benjamin Schliesser, Prof. em. Dr. Ingolf Dalferth 

Dissertationsprojekt von Michel Degen

Hat Lukas eine positive oder negative Einstellung zum zweiten Tempel und wie formuliert er diese insbesondere im lukanischen Doppelwerk, vor allem jedoch in der Apostelgeschichte 1-15? Dieser Frage gehe ich nach, indem ich mich unter anderem mit den exegetischen Traditionen jüdischer Gruppierungen des 1. Jahrhunderts auseinandersetze. Was war das Selbstverständnis dieser Gruppen? Sind die exegetischen Diskussionen, die sie beschäftigten, vergleichbar mit denen, die Lukas aufgriff? Wie standen sie zum zweiten Tempel?

Die exegetischen Argumente von Lukas werde ich durch aktuelle Forschungsergebnisse im Bereich der Verwendung des Alten Testaments im Neuen Testament beleuchten. Die Tempelreinigung in Lukas 19 und vergleichbare Passagen werden dafür ebenfalls herangezogen. Zudem werde ich mich mit der Frage der Literaturgattung des lukanischen Doppelwerks auseinandersetzen.

Das Ziel der Arbeit ist es, die Funktion und Effekte der Himmelfahrt und der Ausgießung des Geistes zu ermitteln sowie herauszufinden, welche Auswirkungen diese beiden Ereignisse auf die Erzählung der Apostelgeschichte haben.

Betreuung: Prof. Dr. Benjamin Schliesser

Dissertationsprojekt von Hanna-Maria Hengel

In diesem Dissertationsprojekt wird versucht die Vernetzung von Akteuren der frühen Jesus-Bewegung sowie einzelner Christusgruppen am Beispiel des Kolosserbriefs und der Stadt Kolossä darzustellen und zu untersuchen. Dies geschieht einerseits mithilfe Sozialer Netzwerkanalyse (SNA) andererseits mit sozialgeschichtlichen und exegetischen Methoden. Auf diese Weise sollen die Netzwerke lokalspezifisch eingebettet werden. Es wird danach gefragt, wie es zur Gründung der Gemeinde in Kolossä (unabhängig von Paulus?) kam, wie diese Christusgruppe mit anderen Gemeinden und paulinischen Kreisen verbunden war und was Einzelne dabei für eine Rolle gespielt haben könnten.

Dieses Dissertationsprojekt ist Teil des SNF-Projekts "ECCLESIAE: Early Christian Centers – Local Expressions, Social Identities & Actor Engagement," welches von Prof. Dr. Benjamin Schliesser geleitet wird.

Dissertationsprojekt von Corona Langjahr

Im ersten Jahrhundert nach Christus galt Antiochia am Orontes als eine der  vier großen Metropolen der Antike, weshalb sie auch für das frühe Christentum von entscheidendem Interesse war. Es wird angenommen, dass die ersten christlichen Gemeinden um 40 n. Chr. dort entstanden und unter der Leitung einiger prominenter Gestalten wie Paulus und Barnabas zum Zentrum der frühen Missionstätigkeit – vor allem im paganen Umfeld („Heidenmission“) – wurde. Entscheidende Quellengrundlagen sind die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe, allen voran der Galaterbrief, aber auch die Schriften zeitgenössischer Autoren sowie dokumentarische Quellen. Da allerdings der Grossteil der römischen Stadt noch unter den Ablagerungen des Orontes-Flusses liegt, sind Archäologie und Epigraphie von begrenzter Hilfe.

Die Kernfragen der Arbeit sind zum einen, in welchem religiös-kulturellen und sozialen Kontext das Christentum in Antiochia am Orontes entstanden ist, wer sich dieser neuartigen Versammlung anschloss und welche Faktoren zur Ausbreitung des Christentums beitrugen. Zum anderen soll untersucht werden, welche Leitungskonzepte sich in diesem spezifischen Kontext herausgebildet haben und wie diese mithilfe aktueller „Leadership“-Modelle beschrieben werden können

Das Forschungsprojekt unter dem Arbeitstitel „Das frühe Christentum in Antiochia am Orontes. Ausbreitung und Leitungsstrukturen“ beginnt mit einer Beschreibung und Analyse der Forschungsgeschichte und der Frage nach der Ausbreitung und Zusammensetzung der ersten Gruppen der Jesusbewegung. Die aktuelle Forschung ist sich darüber einig, dass sich die Gemeinde aus aus Juden/Jüdinnen und Nicht-Juden/Jüdinnen zusammensetzte, was unter den leitenden Persönlichkeiten zu theologischen und persönlichen Konflikten führte. Daher bietet sich die dortige Gemeinde für eine Untersuchung von Leitungsstrukturen besonders an. 

In einem zweiten Teil des Projektes werden Leitungskonzepte im direkten Umfeld der frühen Jesusbewegung in Antiochia betrachtet, wozu beispielsweise das Vereinswesen oder die Synagogen zählen. In der Auseinandersetzung mit diesen organisationeller Dynamien, die mit neueren sozialwissenschtlichen Modellen ins Gespräch gebracht werden, soll ein frischer Blick auf das Wesen der Leitung in der Jesusbewegung ermöglicht werden und kann somit einen neuen Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums leisten.

Ziel des Forschungsprojekts ist, einen neuen Blick auf Leitungsstrukturen im entstehenden Christentum in einer sehr pluralen Stadt zu gewähren, der so in den anderen Metropolen der christlichen Anfänge nicht möglich ist. Der methodische Ansatz, welcher auch moderne Führungsmodelle zu Rate zieht, kann ein komplexeres und umfassenderes Bild der antiochenischen Christusgruppe(n) entwerfen und soziale Dynamiken herausarbeiten.

Dieses Dissertationsprojekt ist Teil des SNF-Projekts "ECCLESIAE: Early Christian Centers – Local Expressions, Social Identities & Actor Engagement," welches von Prof. Dr. Benjamin Schliesser geleitet wird.

Dissertationsprojekt von Niklas Walder

In jüngsten sozialgeschichtlichen Studien über das frühe Christentum in städtischem Umfeld fungierte oft eine "institutionelle" Perspektive als Leitparadigma. So stiess beispielsweise der Vergleich von griechisch-römischen Vereinigungen mit den «Christusgruppen» auf reges Interesse (Kloppenborg, 2019). Dasselbe gilt auch für die Forschung über die christliche Bewegung in der römischen Kolonie Philippi, wo ein solcher Vergleich maßgeblich von Richard Ascough vorangetrieben wurde (Ascough, 2003).

Wie bei allen historischen Studien stellt der Mangel an Quellen bei der Untersuchung dieses Themas eine bedeutende Herausforderung dar. Im Fall von Philippi muss so überlegt werden, wie der Quellenwert der lokalen Vereinsinschriften (wie die der cultores Silvani aus dem 2. und 3. Jahrhundert, I. Philippi2 163-166) hinsichtlich ihres Potenzials, Licht auf die Organisation der Christusversammlungen im 1. Jahrhundert zu werfen, bewertet werden sollte (Eckhardt, 2018).

Das von Niklas Walder durchgeführte Projekt bewertet den aktuellen Forschungsstand und die relevanten lokalen Belege, nimmt jedoch eine ausdrücklich nicht-institutionelle Perspektive auf das frühe Christentum in Philippi ein und verwendet Apostelgeschichte 16 als Ausgangspunkt. Es zielt darauf ab, den Fokus auf die in Apostelgeschichte 16 literarisch und erzählerisch bezeugten Personen zu lenken und sie vor dem Hintergrund einer sozialgeschichtlichen Rekonstruktion des antiken Philippis aus einer "subjektorientierten" Perspektive zu untersuchen (Rüggemeier, 2020).

Wie in Erzählungen üblich, bietet Apostelgeschichte keine akribische Aufzeichnung historischer Ereignisse, sondern nimmt zur Wahrung der erzählerischen Kohärenz bewusste Auslassungen und Verfeinerungen vor, was in Lücken im Text und unerwähnten Details (wie das Schicksal des Paulus in Rom) resultiert. Dennoch waren kundige Rezipienten, die mit dem historischen Kontext des Autors vertraut und in der antiken Umgebung der Apostelgeschichte beheimatet waren, in der Lage, ihr kulturelles und historisches Wissen zu nutzen, um den Text effektiv zu verstehen, indem sie die vom Autor hinterlassenen Lücken füllten.

In Apostelgeschichte 16 werden die narrativen Handlungsstränge nun vor einem spezifischen Hintergrund erzählt: Die Figuren befinden sich auf der Bühne von Philippi, einer römischen Kolonie im 1. Jahrhundert in der Provinz Makedonien. Die antiken Empfänger interpretierten ihrerseits diese Erzählung und ihre Figuren durch die Brille ihres Wissens über die Verhältnisse in Philippi oder mit analogen Informationen über andere römische Kolonien.

Obwohl wir weder direkten Zugang zu den impliziten Hintergründen in der Vorstellung des Autors noch der Empfänger haben und unsere sozio-historisch rekonstruierte Philippi nie genau mit dem von ihnen imaginierten Philippi übereinstimmt, bleibt eine umfassende lokalgeschichtliche Untersuchung von Philippi in Verbindung mit der Apostelgeschichte nach wie vor der zuverlässigste Ansatz, um Apostelgeschichte 16 und ihre Figuren im spezifischen historischen und geografischen Kontext von Philippi zu verstehen.

Gemäss aktuellen wissenschaftlichen Trends verfolgt dieses Projekt einen vielschichtigen methodischen Ansatz und legt besonderes Augenmerk auf die zahlreichen Inschriften aus Philippi. Ziel ist es, Figuren wie Lydia, den Purpurhändler, das pythonesische Sklavenmädchen und den Gefängniswärter im soziohistorischen Kontext von Philippi neu zu bewerten und zu verstehen. Es soll analysiert werden, wie sich unser zeitgenössisches Verständnis der erzählerischen Sequenzen in Philippi entwickelt, wenn wir sie aus dieser Perspektive betrachten.

Dieses Dissertationsprojekt ist Teil des SNF-Projekts "ECCLESIAE: Early Christian Centers – Local Expressions, Social Identities & Actor Engagement," welches von Prof. Dr. Benjamin Schliesser geleitet wird. 

Dissertationsprojekt von Florence Gantenbein

Dieses Forschungsprojekt untersucht die Darstellungen weiblicher Figuren der frühchristlichen-ephesischen Literatur vor dem Hintergrund der ephesischen Stadtkultur. Im Zentrum steht dabei die Herausarbeitung der Handlungsfähigkeit (agency) unterschiedlicher Epheserinnen im urbanen Kontext – sei dies als Handwerkerin, Prytanin oder Hohepriesterin des Kaiserkultes – und der Analyse der frühchristlichen Frauenfiguren vor diesem Hintergrund. Durch den Rückgriff auf soziologische Identitätstheorien werden die Quellen danach befragt, in welchen Kontexten des urbanen Stadtlebens die geschlechtliche und die religiösen Identitäten einer Person zu welchem Grad aktiviert worden sind und was sich daraus über die Handlungsmöglichkeiten für Frauen in einem urbanen Kontext schliessen lässt.

Dieses Dissertationsprojekt ist Teil des SNF-Projekts "ECCLESIAE: Early Christian Centers – Local Expressions, Social Identities & Actor Engagement," welches von Prof. Dr. Benjamin Schliesser geleitet wird.